46er Einschraubstücke Gabel R 25/3 lösen

Begonnen von HaseIgel, 10 Januar 2022, 21:16:35

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HaseIgel

Thema: Das Herausschrauben der zwei SW 46er Federeinspann-Einschraubstücke oben an der Gabel der R 25/3 (Nr. 8 im BMW-ET-Katalog; Nr. 12 im Stemler-Katalog – auf den entspr. Seiten, wo die Vorderradgabel abgebildet ist)

In diversen Forumsbeiträgen erscheint das Lösen dieser Verschraubungen mal als ganz leicht, etwa: kommen beim Abschrauben der oberen Kappen gleich von selber mit: https://bmw-einzylinder.de/forum/index.php?topic=8167.msg106851#msg106851, mal als Herkules-Aufgabe für mit Schweißflamme und Vorschlaghämmern bewehrte Schmiedegesellen in schwarzen Lederschürzen: https://bmw-einzylinder.de/forum/index.php?topic=4645.msg49709#msg49709

Im Folgenden steuere ich meine eigenen aktuellen Erfahrungen bei. – Die Leserin ahnt: es war nicht geschenkt, aber auch nicht ergebnislos, denn sonst gäbe es keinen Anlass, einen Beitrag zu schreiben. Ich schicke vorweg: bis zum allerletzten Moment sah es nach Niederlage aus.

Dabei fing es ganz problemlos an, denn die eine Seite ließ sich mit einem kleinen Engländer plus Verlängerung sofort lösen. Das Gewinde des Einschraubstücks war ölig. War das Gabelöl bis dorthin hochgelangt? Eigentlich ausgeschlossen. Es könnte höchstens mal beim Gabelölwechsel passiert sein, dass das Übergeschwappte dort hingelaufen und das Gewinde erreicht hätte – was dann als Segen anzusehen gewesen wäre.

Die andere Seite ließ sich von dem kleinen Engländer in keiner Weise einschüchtern. Sie sah vielmehr die Chance, sich einmal im Leben so richtig wichtig zu machen.

Dieses 46er Federhalte-Einschraubstück ist von BMW seinerzeit etwas gedankenlos entworfen worden, würde ich sagen. Sie haben keinen Gedanken verschwendet an die Schrauber, die dieses Teil nach 66 Jahren des Festrostens zum ersten Mal drehen wollen würden. Man kann da keine Nuss und keinen Ringschlüssel ansetzen, weil nicht genug Platz zwischen den Flanken des Sechskants und der Lenkeröse ist. Ferner sind die Flanken sehr flach, es fehlt die Höhe, um das Teil zu packen; man hat es im Nu vermurkst, wenn man mit Maulschlüssel oder Engländer arbeitet und ein paarmal abgeglitten ist. Ich vermisse auch den Hinweis in der Betriebsanleitung, das Teil wenigstens einmal alle drei Jahre herauszudrehen und mit neu gefettetem Gewinde wieder einzusetzen. Dass es sonst festrostet, das hingegen ist garantiert: jeder Wassertropfen, der die Abschlusskappen trifft, findet seinen Weg schräg nach hinten und rinnt in das Gewinde. Einmal herausgeschraubt, zeigen die Teile (und die Gabelrohre) genau dies: die Festrostung betrifft den hinteren Teil, den, der tiefer liegt.

Als erstes habe ich mir eine 46er Sechskant-Nuss besorgt. Wie befürchtet passte sie nicht drauf, weil ihre Wandung zu dick war: das Lenkerauge war im Weg. So habe ich mit dem Schleifstein an einer Stelle außen etwas abgetragen, ca. auf einem Drittel des Umfangs.

Als sie passte, neuer Versuch. Nichts tat sich. Des Weiteren rutschte sie auch ab, und zwar nach oben. Nüsse sind als "Auffädelungshilfe" innen angeschrägt. Das hilft beim Draufsetzen, aber nicht beim Drehen, vor allem, wenn der zu packende Sechskant, wie hier, kaum Höhe hat.

Also wurde die Nuss, wieder am Schleifstein, verkürzt: unten wurde die gesamte "Auffädelungshilfe", ca. 3-4 mm, abgetragen, so dass die Innenflanken der Nuss wenigstens die Außenflanken des fraglichen Teils voll packen konnten.

Das Abschleifen war nicht übermäßig zeitaufwändig; ich war erstaunt, wie weich das Material eigentlich ist. Das Stündchen am Schleifstein war sinnvoll investiert.

Aber es drehte sich immer noch nichts. Nuss, Quergriff mit ca. 80 cm Rohr als Verlängerung, und die Helferin stemmt sich gegen den Lenker. Nichts. Wir wollen den Lenker – inzwischen das schwächste Element – ja auch nicht weichbiegen.

Es musste weiter aufgerüstet werden.

Der Lenker wurde ersetzt durch ein 1 m langes Vierkant-Stahlrohr, welches mit dem einen Ende fest in die Lenkerösen geschraubt wurde (10 mm-Bolzen und ein stabiles Blech darunter; die Bolzen etwas aufgefüttert mit Lagen aus weicherem Material, zur besseren Passung und zur Schonung der Ösen).

Ein weiteres 1 m langes Vierkant-Stahlrohr wurde mit einem Holzauge in der Mitte präpariert, um die Nuss niederzuhalten.

Die Disposition war jetzt:

Motorrad wurde nach vorne geneigt und in dieser Lage mit Klötzen fixiert (unter Ölwanne und Hinterrad), um alles Werkzeug möglichst tief und möglichst gerade ansetzen zu können.

Ein Helfer setzt sich aufs Motorrad, um einem Drehen und Umkippen vorzubeugen.

Zwei Helfer drücken mit dem einen Rohr (mit dem Holzauge) auf den Quergriff, d.h. auf die Nuss.

Das Rohr, welches den Lenker ersetzt hat, wird in einer Türöffnung fest angelehnt.

Und dann, nach mehreren beherzten Anläufen am verlängerten Quergriff: ein Knacks – "und sie dreht sich doch!"

Dann spielte sie plötzlich die Unschuld in Person, ließ sich spielend leicht heraus- und ohne Widerstand wieder hineindrehen. Es war nur die eine, die hintere Stelle festgerostet gewesen.


Ergänzungen:

Zwischen den Versuchen, die sich über mehrere Wochen hinzogen, war immer schön Caramba ein- und nachgeträufelt worden. Vorher war das Gewinde aber vermutlich pulvertrocken gewesen, nicht wie das andere, welches kaum Widerstand geleistet hatte.

Bis zum letzten Moment war der Ausgang völlig ungewiss. Es war ganz unmöglich einzuschätzen, ob von der letztlich aufzuwendenden Kraft schon 95% oder erst 25% anlagen. Erst nach dem Knacks und den ersten Grad Drehung schnellte der Optimismus in die Höhe.

Jedes einzelne Element der Disposition war vermutlich unerlässlich, und zwar in genau der Form. Wenn eins gefehlt hätte, wären wir gescheitert.

Das Entscheidende war m. E., dass das Gegenhalte-Werkzeug (das in die Lenkerösen geschraubte Stahlrohr) nicht von einer Person gehalten wurde, sondern von einer Mauer. So gab es kein Zurückfedern.

Es wäre, denke ich, auch gegangen mithilfe eines 46er Schlagringschlüssels und eines dicken Hammers. Den Schlüssel wieder passend geschliffen und ebenso von zwei Helferinnen mit dem Stahlrohr niedergepresst. – Ein richtiger (Pressluft-)Schlagschrauber wäre natürlich auch eine Möglichkeit, aber ich habe keinen und kann das nicht beurteilen. Auch da müsste die Nuss am Abrutschen gehindert werden, vermute ich, weil das 46er Teil so wenig Höhe hat.

Vor den Attacken auf das festgerostete Teil wurde das andere (welches schon verloren hatte) zur Sicherheit wieder hineingeschraubt, um die Gabelbrücke zu schonen, um sie nicht an einer einzigen Stelle der ganzen Spannung auszusetzen.


Die Fotos sind im Nachhinein – annähernd – nachgestellt und zeigen nicht die Original-Aktion. Wir hatten keinen Hof- bzw. Werkstattfotografen, waren vielmehr selber alle im Einsatz. – Man sieht auf den Bildern, dass das 46er Teil – es war das rechte – schon verloren hat, dass das Motorrad nicht mehr nach vorne geneigt ist, dass das Gegenhalte-Werkzeug nicht mehr in der Türöffnung anliegt.

Peter

HaseIgel



HaseIgel

Es geht noch kurz weiter mit den restlichen Fotos, da beim Beitrag nur 6 erlaubt waren:

beemdubbleyou

Hallo Peter,
ja die beiden Schrauben können einen schon zu Verzweifelung bringen.
Ich habe mir auch eine Nuss geholt und einen Fein Schlagschrauber.
Die Schrauben ein paar Tage mit Rostlöser einsprühen und dann mit
den Schlagschrauber gearbeitet, hat bis jetzt jedes mal gut geklappt.
Und Du brauchst nicht noch zusätzliche Helfer.
Viele Grüße
Jürgen

HaseIgel

Hallo,

wie sieht so ein Fein-Schlagschrauber aus?

P.

Schorsch

Peter,

ich glaube, Jürgen meint einen Schlagschrauber der Firma Fein.

Gruß
Früher war alles gut, heute ist alles besser.
Es wäre besser, wenn wieder alles gut wäre.
(Heinz Erhardt)

beemdubbleyou

ja das ist richtig, so sieht er aus


cledrera

Du bist im Recht; nun sieh zu, wie du da wieder heraus kommst. (v. Chamisso)
Lieber Einzylinder als zwei Fallschirme (v. mir)

HaseIgel

Danke!

Man sieht dem Bild nicht an, wie groß oder klein der "Fein" ist, aber um es mit 46er Verschraubungen aufzunehmen, müsste er schon ein gewisses Kaliber haben, oder?

Ist es richtig, dass dazu dann auch spezielle Nüsse gehören?

Peter

4Taktix

Moin Peter,
erstmal fetten Applaus für's "Nicht Aufgeben" und den sehr schön bebilderten und unterhaltsam zu lesenden Bericht !  :applaus:
Elektrische Schlagschrauber gibt es nicht nur von "Fein", da gibt's günstigere, inszwischen auch kabellos, also Akkubefeuert.
Erfahrungen habe ich selbst damit jedoch keine.
Ich hatte mir einen günstigen für Druckluft beim Aldi mitgenommen - dazu ein Baumarktkompressor. Geht wunderbar.
(z.B. für die Stößelführungen SW30, oder die Schwungscheibenmutter)
Grundsätzlich gibt es spezielle Nüsse für Schlagschrauber. Aber: Für 1/2"-Antrieb (der Vierkant) hört es i.d.R. bei SW 32 auf.
Es gibt zwar auch größere Schlüsselweiten für 1/2", regulär geht es da aber mit 3/4" oder 1" Antrieb weiter.
Natürlich gibt's auch "Adapter" von 1/2" auf größer, aber je mehr "Teile" zwischen Antrieb und zu lösender Mutter sind, desto mehr "Schlagenergie" geht
in den Übergängen verloren.
Davon ab hast Du ja schon eine SW46-Nuss für 1/2"-Antrieb individuell "angepasst" - das müsstest Du ja dann nochmal machen, falls Du eine 46er für
Schlagschrauber besorgst, wenn es die überhaupt gibt.
Nimm Deine individuelle 46er. Man kann bei Schlagschraubern i.d.R. auch das Schlagmoment runterregeln, das tuts trotzdem, wenn man halt länger trommeln lässt.

Gruß,
Sascha
Think outside the box !

Kavallerie1

Zitat von: HaseIgel am 11 Januar 2022, 20:44:13
Danke!

Hallo, ich hätte nicht gedacht, daß es diese Marke noch gibt.
Die große Mercedes Vertragswerkstatt, in der ich gelernt und viele Jahre gearbeitet hatte (70/80er Jahre) hatten wir fast nur FEIN Elektrogeräte. Unverwüstliche Qualität damals. Es gab auch eine extra-schwere FEIN Bohrmaschine, mit der (damals, noch an Haubenfahrzeugen war das so) die Löcher in den Rahmen neuer Sattelzugmaschinen gebohrt wurden, um die Sattelplatte zu verschrauben Dazu musste ein Schlösser (z.B ich als Azubi) die Bohrmaschine mit einem ca.1m langen Rohr, was seitlich über einem der beiden Haltegriffe der Bohrmaschine geschoben wurde, um diese gegenzuhalten, während der Geselle die Bohrmaschine genau fixierte.

Man sieht dem Bild nicht an, wie groß oder klein der "Fein" ist, aber um es mit 46er Verschraubungen aufzunehmen, müsste er schon ein gewisses Kaliber haben, oder?

Ist es richtig, dass dazu dann auch spezielle Nüsse gehören?

Peter

Kavallerie1

UPS, da habe ich wohl etwas falsch gemacht🤔 Was ich da gerade, wie auch immer, als"Zitat " gesendet habe, sollte ein Beitrag zu den (immer noch?) guten  "FEIN" Elektrogeräten bv sein. Ich denke, es kommt trotzdem an.
Gruß Theo

HaseIgel

(Zu Sascha, 2 weiter oben)

Hallo Sascha,

die 46er Nuss hat 3/4"-Antrieb; den passenden Quergriff habe ich.

Es ist gut zu wissen, was ein Schlagschrauber kann. Da ich es nicht wusste, hätte ich mir für diese Arbeit jetzt nicht extra einen gekauft. Um mit 46er Größen fertigzuwerden, hätte es ja auch schon einer aus der Oberklasse sein müssen. Und wie das eben so ist: wann braucht man den danach nochmal? Zum Wiedereinschrauben bräuchte ich jetzt noch nicht einmal unbedingt die Nuss, da reicht auch der Engländer.

Schön reichlich Fett, und dann alle drei bis fünf Jahre probeweise lockern und nachfetten ... Und immer beim Gabelölwechsel beim Befüllen etwas schlabbern und ins Gewinde sickern lassen  ;-)

Peter

sigi_rs

Guten Morgen,

ich hatte auch meine liebe Mühe mit den Verschraubungen. Die Nuss habe ich ebenfalls abgedreht und "scharfkantig" gemacht und dann passierte mit Hebel gar nichts.

Ich habe mir dann einen Hazet-Schlagschrauber mit 1/2"-Antrieb zugelegt und damit ging es dann nach gefühlten Stunden des Hämmerns. Es stellte sich dann heraus, dass Innen- und Außengewinde eine innige Verbindung in Form von Rost eingegangen sind und nur noch rudimentär vorhanden waren. Leider habe ich diese Teile neu benötigt, da die Gewingegänge nicht mehr getragen haben.

Aber gelöst bekommen habe ich die Verschraubung.  ;D

Viele Grüße
Jörg

cledrera

Interne Bezeichnung:
Schraube des Grauens.  ;D
Du bist im Recht; nun sieh zu, wie du da wieder heraus kommst. (v. Chamisso)
Lieber Einzylinder als zwei Fallschirme (v. mir)

HaseIgel

Da habe ich doch eigentlich richtig Glück gehabt ...

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