Getriebe einer R25 öffnen

Begonnen von Karl, 30 Januar 2022, 12:14:16

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Karl

Getriebe öffnen – eine ausführliche Anleitung.

Hier schreibt ein relativ neues Forumsmitglied, das noch als ,,Schrauber-Lehrling" eingestuft ist. Und genau aus dieser Perspektive, nämlich als jemand, der sich noch voll in die Schwierigkeiten hineinversetzen kann, die ein Anfänger hat, der etwas zum ersten Mal aufschraubt und noch nicht weiß, wie es drinnen aussieht, möchte ich das Öffnen des Getriebes ausführlich beschreiben.

Natürlich gibt es dazu schon eine riesige Zahl von Beiträgen, dazu von unvergleichlich kompetenteren Leuten als mir, aber mir ging es so, dass ich mir die Informationen aus x Beiträgen zusammensuchen musste, als ich neulich mein R 25/3-Getriebe zum ersten Mal geöffnet habe, um die Gehäusedichtung zu wechseln. Mag sein, dass ich sehr gute Beiträge übersehen habe und dass meiner hier sich als entbehrlich herausstellen wird, aber vielleicht nützt er auch was.

Hier soll es ausschließlich um das Abnehmen des – hinteren und einzigen – Gehäusedeckels gehen, zwecks Erneuerung der Dichtung, wenn sich, so wie bei meinem Getriebe, Öltropfen unten an der Naht ansammeln. Nicht beschrieben wird das unvermeidliche vorherige Lösen des Kardanflansches. Dafür gibt es viele sehr gute andere Beiträge.

Hier also meine Erfahrungen:

In vielen Beiträgen, wo Leute noch fragen, ob sie sich diese Arbeit überhaupt zutrauen dürfen, kommt eine gewisse Bange zum Ausdruck, dass sie etwas kaputtmachen könnten dabei. Die Sorge ist nicht unberechtigt. Es ist in der Tat nützlich, vorher zu wissen, wie es drinnen aussieht. Beim Getriebe ist es etwas anders, finde ich, als bei anderen Teilen. Man kann einen Motor (ev. auch das Getriebe eines Autos) ohne diese Bange zerlegen, weil man immer sieht, was man tut. Beim R 25-Getriebe kann man unter Umständen verzweifeln, etwa weil der Deckel hängenbleibt, aber man nicht sieht, warum. Mit Gewaltanwendung macht man dann wirklich etwas kaputt.

Der Getriebe-Gehäusedeckel ist wesentlich mehr als ein Deckel: er ist ein tragendes Teil. Fünf Wellen sind in ihm gelagert; das ist mehr als im Kopfteil: da sind es nämlich nur drei. Diese fünf Wellen sind:

- die Eingangswelle (Antriebswelle)
- die Zwischenwelle
- die Ausgangswelle (Abtriebswelle, Hauptwelle)
- die Kickstarterwelle
- die Kickstarter-Zwischenrad-Welle

Nur die ersten drei sind auch im vorderen Teil gelagert.

Der Deckel macht also die Kiste nicht nur zu, sondern er hält wesentliche Teile des Innenlebens passgenau zusammen, auch Teile, die nicht mehr als 0,2 mm Längsspiel haben dürfen. Das wird mit Passscheiben erreicht, die z.B. durch Unachtsamkeit beim Öffnen ev. auch herausfallen und schlimmstenfalls verlorengehen könnten.

Wenn man auf den Deckel blickt, also von hinten auf das Getriebe, sieht man rechts oben die Abtriebswelle herausschauen (Kardanflansch, wie gesagt, schon abgenommen!).

In der Mitte blickt man, ebenfalls durch ein Loch, auf die Eingangswelle (Kupplungsdruckstück und Kupplungsdruckstange bereits herausgezogen).

Unterhalb dieser beiden ist ein flaches kreisrundes Profil, nur etwa 1 mm hoch, welches erahnen lässt, dass dort innen ein Lagersitz ist. Das ist die Nebenwelle.

Diese drei Wellen verbleiben beim Abbau des Deckels innen im Getriebe, zwei mitsamt ihrem Lager und eine ohne, d.h. das Lager wird im Deckel bleiben und mit diesem abgebaut.

Unterhalb der Mitte, unter der Eingangswelle, ist eine kleinere Öffnung, in der man eine Achse stecken sieht, die aber nicht herausschaut, und ganz links unten schaut die Kickstarterwelle heraus (Kickstarter wahrscheinlich bereits abgebaut, was aber gar nicht nötig wäre). Die beiden letzteren Wellen, inklusive des Kickstarters, verbleiben beim Abbau des Deckels in diesem, und es wäre sinnlos und kontraproduktiv, beim Abbau auf sie zu schlagen, wenn es nicht weitergeht.

Leider habe ich nicht extra Foto von der Rückseite des geschlossenen Getriebes gemacht, aber das ist ja auch entbehrlicher als die folgenden Fotos vom geöffneten G.

Wenn man den Deckel dann abgebaut hat und zu sich herumdreht, sieht das Panorama so aus: s. Bild 1 (rechts ist jetzt links):

Rechts das Kickstarter-Zahnsegment auf seiner kurzen Achse sowie die Rückholfeder.

Links oben und links unten sieht man leere Lagersitze: die Abtriebswelle links oben und die Nebenwelle schräg darunter haben ihre Lager behalten, die also noch im Getriebe sind.

In der Mitte sieht man das Lager der Eingangswelle, welches also im Deckel verblieben ist, und man sieht auch, warum: da ist ein Zahnrad, an dem es nicht vorbeikonnte. Das Zahnrad sitzt auf der Welle, die auf der Außenseite zu sehen ist, aber nicht herausschaut. Es ist das Kickstarter-Zwischenrad. Es ist mit einem Sprengring auf seiner kurzen Welle gesichert, und an den kann man erst heran, wenn man den Deckel in der Hand hat, nicht vorher. Es ist aber auch gar nicht nötig, es abzubauen, wenn man nur die Dichtung wechseln will. Auch der Kickstarter mit seiner Achse kann bleiben.

Dann sieht man noch den Leerlauf-Kontrollleuchten-Kontakt, den man nicht verbiegen sollte. Man möchte ja nicht hinterher, wenn alles schon zusammengebaut ist, die Kiste nochmal öffnen, um den zu richten, oder?

Und das geöffnete Getriebe sieht so aus (Bild 2, rechts ist jetzt wieder rechts):

Ganz links in dem Loch steckte die Kickstarter-Achse; man sieht rechts (mit dem großen Kugellager) die Abtriebswelle, darunter (mit dem kleinen Lager) die Nebenwelle und in der Mitte (ohne Lager, aber mit einer verbogenen Scheibe!), die Eingangswelle. Und ja: die Scheibe wurde aus Unwissenheit beim Abbau des Deckels verbogen. Das ist wohl so in der Forums-Literatur der Klassiker, an dem kaum einer vorbeikommt. Deshalb schreibe ich dies hier unter anderem, damit euch das erspart bleibt ... – Aber sonst finde ich eigentlich, dass Getriebe und Deckel richtig proper aussehen, ganz schön gepflegt für 65 Jahre, oder?

Aber erstmal ist der Deckel ja noch gar nicht ab, bei euch jedenfalls nicht. Er soll ja erst ab.

Leider kann man ihn nicht einfach losschrauben und hochheben, das wäre zu schön. Die drei Wellen sitzen stramm in ihren Lagern, und die Lager sitzen stramm in ihren Sitzen im Deckel. Wenn man am Deckel zieht, passiert gar nichts, denn das halbe Innenleben des Getriebes hängt fest daran.

Das Rezept ist: Hitze. Dann dehnt sich das Alu-Gehäuse mehr aus als die stählernen Kugellager, die dann in ihren Höhlen etwas lockerer werden. Das gilt für zwei der Lager, denn das dritte, das in der Mitte, verbleibt ja im Deckel: da muss Stahl (Welle) aus Stahl (Lager) gelöst werden.

Im Werkstatthandbuch steht: ,,Deckel leicht anwärmen." Darauf würde ich mich nicht verlassen. Die Spezialisten, die dies vielleicht auch lesen, wissen genau, an welcher Stelle sie den Deckel mit der Heißluftpistole gezielt und konzentriert erhitzen müssen, um die Sachen zu lösen, und in ein paar Minuten haben sie auch schon den Deckel runter. Die, die das zum ersten Mal machen und noch nie einem Profi zugeschaut haben, werden sich das vielleicht nicht zutrauen. Der Weg ist dann: in den Backofen mit dem ganzen Getriebe! Ruhig ein Stündchen gut heiß werden lassen. Der Unterschied zum kalten Zustand ist frappierend: der Deckel bewegt sich wirklich sofort.
Aber vorher muss man sich überlegen, wie und in welcher Position man das Getriebe halten wird, wenn man anfängt, mit einem Hammer auf ein Holzklötzchen zu schlagen, das man ringsum an den drei Nasen ansetzt, die dafür gedacht sind.

Es gibt noch mehr Vorbereitungen, die zu treffen sind:

a) Der Kickstarter muss ein wenig ,,getreten" werden;

b) man braucht Hilfswerkzeug, um ein Lager und eine Welle, an denen der Deckel beim Abbau zieht, zurückzutreiben.

Zu a) Wie man auf Bild 1 (Deckel von innen) rechts sieht, ragt das Zahnsegment des Kickstarters über den Gehäuserand hinaus. Das kann es jetzt, weil es ,,befreit" ist. Solange es im Getriebe eingeschlossen ist, kann es das nicht. Aber in dem Moment, wo der Deckel abgezogen wird vom Gehäuse, kann das Segment durch den Federdruck nach außen springen. Das will man verhindern. Wenn man zu zweit arbeitet, kann einer den Kickstarter festhalten. Ansonsten bindet man ihn irgendwie am Deckel fest, und zwar in leicht ,,getretenem" Zustand, sodass das Zahnsegment innen nicht mehr gegen das Gehäuse drückt. In Bild 3 sieht man, wie ich das mit einer Drahtschlaufe bewerkstelligt habe.

Zu b) Der Deckel, auch erhitzt, zieht an den drei Lagern und damit indirekt an den Wellen. Sie sollen aber bleiben, wo sie sind. Also schlägt man sie periodisch sanft zurück, vorsichtshalber. Genauer: eine Welle und ein Lager schlägt man zurück: die Eingangswelle (Mitte) und das Lager der Abtriebswelle (rechts oben). Wie weiter oben geschildert und auf den Fotos zu sehen, bleibt bei der ersteren das Lager im Deckel, weil es nicht anders geht. Also schlägt man auf die Welle, um sie vom Lager zu trennen). Bei der zweiten soll das Lager auf der Welle bleiben, also hilft man ihm dabei mit sanften Schlägen von außen.

Die dritte Welle ist von außen unerreichbar. Das ist die, wo man von außen nur den Lagersitz erahnen kann. Bei der kann man nichts machen.

Auf Bild 4 sind die speziellen Werkzeuge zu sehen, die ich neben dem Üblichen zum Öffnen des Getriebes gebraucht und teilweise selber angefertigt habe: das Alu-Treibwerkzeug ist für das Zurücktreiben der Eingangswelle in der Mitte des Getriebes, die Rohre dto. für das Zurücktreiben des Abtriebswellen-Lagers, das Holzstückchen zum Ansetzen an den Nasen und eben die Drahtschlinge zum Fixieren des Kickstarters.

Und wie und in welcher Lage hält man das Getriebe fest? Will und kann man sich so eine schöne Haltevorrichtung bauen, wie sie im WHB zu sehen ist, die man in den Schraubstock einspannen kann? Oder hat man eine Helferin, die festhält und auch das Getriebe immer wieder ein Stück dreht, damit man ringsum schlagen kann? Die Haltevorrichtung wollte ich mir nicht extra bauen, weil ich davon ausging, dass sie, statistisch gesehen, in den nächsten sechzig Jahren nur im Weg liegen würde. Außerdem hätte ich sie gar nicht selber bauen können, weil mir das Schweißgerät dafür fehlt.

Man könnte das Getriebe auf zwei Hölzer legen, mit dem Eingangswellen-Stummel nach unten zwischen die Hölzer, und dann den Deckel von unten nach oben abschlagen. So kann man das Ding leicht und schnell immer weiterdrehen und kommt gut an die Nasen heran. Aber da wird man irgendwann feststellen, dass er hängt und nicht weitergeht. Wenn man dann noch drei Schläge ringsum tut, hat man schon die Scheibe verbogen, die in Bild 2 zu sehen ist, und weiter geht es trotzdem nicht.

Das ist der Moment, wo das Gehäuse aus Glas sein müsste, so dass man sehen könnte, was da zum Kuckuck nochmal hakt. Auf den ersten Millimetern machte der Deckel gute Fortschritte, und plötzlich will er nicht mehr weiter. Was ist los? Langsam wird das Ding wieder kalt. Liegt es daran? Soll man jetzt schnell machen, notfalls mit Gewalt? Oder nochmal heiß machen?

Auf Bild 5 ist nachgestellt, was da drinnen passiert ist. Der Dorn simuliert die Eingangswelle:

Beim Hochschlagen des Deckels hebt das Zahnrad, welches Teil des Deckels ist, die Scheibe an, welche hinter dem Zahnrad auf der Welle sitzt. Die Welle will bleiben, das Zahnrad zieht die Scheibe mit, hebt sie einseitig an, und sie verkantet sich auf der Welle. Dann geht nichts mehr, und die Scheibe wird verbogen oder sogar zerstört.

Man kann das in dem Stadium – wo der Deckel schon etliche Millimeter angehoben ist – sogar mit einer Taschenlampe sehen, und man kann die Scheibe mit einem langen, schlanken Schraubenzieher lösen und ihr helfen, weiterzuwandern mit dem Zahnrad. Das ginge.
Besser wäre es aber, man würde das Getriebe gar nicht mit dem Deckel nach oben bearbeiten. Idealerweise wäre der Deckel unten, dann würde sich die Scheibe nicht querstellen und verhaken. So wie im WHB beschrieben, also Getriebe horizontal per Haltevorrichtung im Schraubstock (wie im Motorrad eingebaut) ist sicher auch risikolos. Das Problem ist, das Getriebe in einer für diese Scheibe ungefährlichen Position zu halten und gleichzeitig auch noch gut und schnell reihum an die drei Nasen zu kommen, auf die man schlagen muss.

Auf jeden Fall muss man Bescheid wissen, dass, wenn es plötzlich auf halbem Wege anfängt, schwer zu gehen, sehr wahrscheinlich diese verhakte Scheibe die Ursache ist, und dass man dann nicht weiterschlagen darf.

Und man achte beim Abnehmen auf die Pass-Scheiben, die im Deckel sitzen könnten (hinter den beiden Lagern, die aus ihren Sitzen im Deckel herausgezogen werden. Sie könnten beim Abnehmen des Deckels herausfallen, von der Werkbank hüpfen und gleich, begeistert über die neue Freiheit, flink in verschiedene Richtungen in dunkle, staubige Ecken rollen, wo es genausoviel Zeit kosten würde, sie wiederzufinden, wie es gekostet hat, den Getriebedeckel abzubauen ... Wobei man ja dann ev. noch nicht einmal weiß, wie viele Scheiben es überhaupt waren und nach wie vielen man suchen muss ...

Das war's auch schon. Jetzt kann man die Dichtung wechseln und alles wieder zusammenbauen. Dafür braucht natürlich nur der Deckel erhitzt zu werden, nicht alles.

Für weitere Arbeiten am Getriebe, die sinnvollerweise bei der Gelegenheit mitgemacht werden, gibt es zahllose Forumsbeiträge von Leuten, die wesentlich mehr Durchblick haben als ich.

Diese Profis unter euch sind natürlich herzlich eingeladen, Verbesserungen anzubringen und ergänzende Tipps zu geben. Ich hoffe, ich habe nirgendwo Quatsch erzählt und auch nichts Wichtiges vergessen.

Das Forum war mir bei der Überholung meiner R 25/3 eine große Hilfe. Ein Dank an die, die es am Laufen halten!

Artikel wurde geschrieben von: Peter (User: "HaseIgel")
Link zum original Artikel: » LINK


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