Abenteuer Getriebe

Begonnen von skeewde, 27 Juli 2013, 00:21:14

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skeewde

Was folgt ist gleichwohl als Warnung als auch Ermutigung gedacht für all diejenigen die überlegen ihre Getriebe selber zu restaurieren/reparieren.

Im Rahmen der Restaurierung mein 25/2 habe ich neulich die Getriebe aufgemacht um Lager und Wedi's auszutauschen. Ich hatte lange überlegt ob ich es machen sollte – der scheint gut zu funktionieren – aber wenn ich allen anderen Lager und Dichtungen erneuern, warum nicht auch den der Getriebe? Die Threads mit "never touch a working gearbox" oä habe ich erst später gesehen.

Von der bereits ausgebaute Getriebe liesse sich der Mitnehmerflansch relativ einfach und ohne Verformung abziehen und der Deckel, nach erwärmen und ein bisschen klopfen, auch.
Auf dem ersten Blick sah alles ganz gut aus, bis auf ein ziemlich vergammelten/rostige Rillenlager an die Ausgangswelle – vermutlich von Regenwasser durch die fehlende Tachoantrieb.
Auf den zweiten Blick habe ich dann zwei lose, an der Handschaltwelle hin und her rutschende Ausgleichsscheiben gefunden die sich gut und gerne zwischen die angrenzenden Zahnräder geklemmt haben! Deren abgescherten Fixierungs-Splint fand ich zum teil später im Ölschlamm. Also aufmachen hat sich spätestens jetzt als richtige Entscheidung erwiesen.
Diesen Splint findet man übrigens in die Unterlagen von keinen der namhaften Händler – weder in die Zeichnungen noch in die Ersatzteillisten.

Als nächstes habe ich mich an die berühmt-berüchtigten Schlitzschrauben an der Getriebeoberseite gemacht die den Schaltgabeln halten. Hier war ich aber schon vorgewarnt! Sie sitzen tatsächlich richtig fest, sind weicher als sie aussehen und werden bei einem halbherzigen versuch sie zu lösen schnell beschädigt. Ich habe sie vorsichtshalber 24 Stunden in WD40 gebadet und dann mit wärme (Steinel) und Kältespray verarbeitet. Schnell war aber klar, dass selbst mit einen dicken Schraubenzieher und angesetzten Maulschlussel werde ich hier nichts erreichen können.
Normalerweise greift mann dann gleich zu ein Hand-Schlagschrauber, aber die Erfahrung von R252Chopper (http://bmw-einzylinder.de/forum/index.php?topic=6463.msg77066#msg77066) hat mich nachdenklich gemacht. Also anfangs vorsichtig geklopft, dann ein bisschen fester, und dann am ende doch draufgehauen, aber es bewegte sich nichts, gar nichts, kein mm.
So, jetzt wird's richtig ernst: Druckluft-Schlagschrauber (Hazet 9012EL) angeschlossen, niedrigste Stufe eingestellt und siehe da, die erste (hintere) Schraube kommt raus wir Butter! Dann die zweite... nichts, Stufe 2, nichts! Stufe 3 weitet dann langsam den Schlitz aus, der Werkzeug hupfte raus und trotz 1490 Nm Drehmoment die Schraube blieb fest. Mittlerweile war der Schlitz ziemlich ausgenudelt und hält den Bit sowieso nicht mehr. Also, neuen schlitz rein geschnitten mit der Dremel... aber nichts! Der Schraubenkopf verformt sich nur. Also ein Loch reingebohrt, Torx reingehämmert und... ach, vergiss es!

Nun sah es nicht mehr aus wie eine Schraube und ich beschloss es auszubohren. Mittlerweile hatte ich zum Glück auch ein alten Thread von odeon8 gefunden (http://bmw-einzylinder.de/forum/index.php?topic=6774.msg83029#msg83029) was mich Mut gemacht hat und dem Gefühl ein Volltrottel zu sein etwas abgemildert. Trotzdem wollte ich es nicht mit ein Handbohrmaschine machen (respekt Thomas!).

Das Hauptproblem beim ausbohren ist dass die Löcher stehen nicht rechtwinkelig zu Oberkante Getriebe. Um es daher korrekt für die Standbohrmaschine auszurichten habe ich es auf ein Holzblock geschraubt und mit Hilfe einer 8er Bohrer gesteckt in der ersten Loch als "Peilstab" (siehe Bild), fein justiert mit Holzkeilen bis alles schön gerade Stand. Und dann langsam, langsam ausgebohrt: 3er, 5er, 6er, 8er. Nach eine gefühlte Ewigkeit ist der Schraube dann mit ein 8er Bohrer durchgebrochen und der Schaltgabel nach unten gerutscht... hurrah!  Aber zu früh gefreut, den Überreste der Schraube ragte trotzdem noch zu weit in die Gehäuse hinein um die Schaltgabel zu befreien. Also, habe ich es gemacht genau wie von R252Chopper beschrieben und der Schaft einfach durchgesägt. Endlich war der Schaltgabel nun frei und konnte gemeinsam mit die Wellen entfernt worden.

Durch das Ausbohren ist das Loch im Gehäuse geringfügig größer geworden auf eine Achse (ca. 8,05mm), sollte aber unproblematisch sein.

Soweit es nach der Aktion noch zu erkennen war, war "nur" der Schraubenkopf und Unterlegscheibe fest! Und allzu viel Rost war auch nicht zu sehen, sonder viel mehr ein extreme feines, festgewordenen zusammensetzung aus wahrscheinlich 60 Jahre alten Staub, Dreck, Öl, Sprit, Regenwasser usw. Diese Mischung hat sich scheinbar über die Jahrzehnt mit Kapillarwirkung in jeden erdenklichen Spalt reingefunden und der Schraube so sehr einbetoniert dass selbst Kriechöl kein weg hinein finden konnte. Und interessanterweise hat den vorderen Loch viel mehr von diesen "Sedimente" als der hintere.

Da alle klassischen Lockerungsmassnahmen – WD40, Hitze/Kälte, Prellschläge usw. – diesmal versagt haben, habe ich (leider im Nachhinein) ein anderen Methode ausgedacht. Mit eine Wärmefeste Masse oä ein Ring (Wanne) um die Schraubenloch bauen, mit Kochendes Wasser und Backpulver auffüllen und dann warten bis die entstehenden Gasbläschen den Dreck hoffentlich, nach und nach absprengt. Was meint ihr, könnte es funktionieren? Ich denke es ist auf jeden Fall ein Versuch wert um den hier beschriebenen Aufwand zu vermeiden.

Jetzt muss ich "nur" noch alles gut reinigen, die Lager und Wedi's ersetzen, Splint erneuern und alles wieder zusammenbauen. Welche Schaltklauenschrauben ich nun nehme und vor allem welche Schmiermittel bzw. "Dicht"-mittel um das eindringen von Schmutz zu verhindern, das weiß ich noch nicht – bin offen für Vorschläge.

Gruß, David

skeewde



Heiko

Zitat von: skeewde am 27 Juli 2013, 00:21:14
Diesen Splint findet man übrigens in die Unterlagen von keinen der namhaften Händler – weder in die Zeichnungen noch in die Ersatzteillisten.

Hallo Midget Bruder,

hattest Du bezüglich des Sicherungssplintes mal in die Originalersatzteilliste geschaut? Da (!) müsste er eigentlich drin stehen.

Ich nehme immer den normalen Dichtungssatz, den hinteren Deckel setze ich zusätzlich noch mit Loctite Flächendichtung auf. Es gibt die Schaltklauenschrauben auch mit Innensechskant, musst Du entscheiden was dir gefällt.


Heiko Mk. III RWA Bj. 1974
Ariel motorcycles... upon which the sun never sets.

Fastnachter

Hi David,

Saubere Arbeit.
GUT ausdistanzieren lohnt sich.

Ansonsten würde ich auch Innensechskant nehmen.

Achja: Überschaltspiel kontrollieren dauert 2 Minuten...  ;)

Gruß
Jan.
"Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen." (Kurt Marti)

Peter

Hi David,
gut gemacht bis hierher. Den Zusammenbau fande ich dann weniger schwierig als das Ausdistanzieren. Weil ich jedes Mal unterschiedliche Meßergebnisse hatte, habe ich drei Messungen genommen und dann daraus den Mittelwert genommen und die Distanzscheiben bestellt.  :schrauber:
Gruß Peter
Am Sichersten ist die Unfreiheit

berndr253

Das Problem mit den "festgegammelten" Schrauben hat man in 80% aller Fälle bei den Einzylindergetrieben.
Ich habe hier einen weiteren Lösungsvorschlag wie man die Schrauben entfernen kann.
Im ersten Schritt werden Löcher in die Schrauben gebohrt, hier reichen 4 mm Durchmesser, 20 bis 25 mm tief.
Dann werden die Schraubenköpfe mit einem 8 mm Stiftfräser ausgearbeitet. Wenn der erste Aluspan kommt ist man tief genug!
Abschliessend mit einem Linksausdreher den Schraubenrest herausdrehen - das Gewinde ist eigentlich nie festgefressen.

Bernd
Leben und Leben lassen

skeewde

#5
Zitat von: Heiko am 27 Juli 2013, 08:27:33
Hallo Midget Bruder,

hattest Du bezüglich des Sicherungssplintes mal in die Originalersatzteilliste geschaut? Da (!) müsste er eigentlich drin stehen.

Servus Heiko,

ja, in die Originalersatzteilliste ist er tatsächlich drin. Bestell-Nr. 99 45 105, ist aber nicht abgebildet.

Zitat
Ich nehme immer den normalen Dichtungssatz, den hinteren Deckel setze ich zusätzlich noch mit Loctite Flächendichtung auf. Es gibt die Schaltgabelschrauben auch mit Innensechskant, musst Du entscheiden was dir gefällt.

Dein Tipp mit die Flächendichtung wird ich aufgreifen; was ich aber meinte war das eindringen von Schmutz in und um die Kopf der Schaltgabelschrauben zu verhindern. Hier stelle ich mir irgendeiner Trenn- und Schmierpaste vor der den Loch ausfüllt. Die Schrauben selber wird ich dann als Schlitzschraube wieder nehmen - schaut für mich Zeitgemäßer aus.

Gruß, David (der am nachmittag versuchte (verschlissene) Twin SUs zu synchronisieren)

skeewde

Zitat von: Fastnachter am 27 Juli 2013, 08:54:47
GUT ausdistanzieren lohnt sich.
Ansonsten würde ich auch Innensechskant nehmen.
Achja: Überschaltspiel kontrollieren dauert 2 Minuten...  ;)

Zitat von: Peter am 27 Juli 2013, 09:06:01
Den Zusammenbau fande ich dann weniger schwierig als das Ausdistanzieren. Weil ich jedes Mal unterschiedliche Meßergebnisse hatte, habe ich drei Messungen genommen und dann daraus den Mittelwert genommen und die Distanzscheiben bestellt.

Danke beide,
hab alles gerade durchgelesen, hmmm - ich verstehe schon das Du Probleme hattest Peter. Aber gut, da muss ich auch durch.
@ Jan: ist dein YouTube Video über "Überschaltspiel kontrollieren" noch irgendwo zu sehen? Der Link im Thread funktioniert nicht (mehr). Dein "Erstes Getriebe" Thread dagegen wird ich gleich durchlesen, danke.

David

skeewde

Zitat von: berndr253 am 27 Juli 2013, 09:19:33
Im ersten Schritt werden Löcher in die Schrauben gebohrt, hier reichen 4 mm Durchmesser, 20 bis 25 mm tief.
Dann werden die Schraubenköpfe mit einem 8 mm Stiftfräser ausgearbeitet. Wenn der erste Aluspan kommt ist man tief genug!
Abschliessend mit einem Linksausdreher den Schraubenrest herausdrehen - das Gewinde ist eigentlich nie festgefressen.

Hallo Bernd,

danke, ich hoffe ich wird dein Tipp nie mehr brauchen, aber es ist trotzdem ein sehr gut durchdachte und saubere Lösung und hätte mich eine menge Arbeit erspart.
Interessant bei die Geschichte; selbst nachdem ich alles rausgebohrt und abgesägt hatte, wollte diesen verdammten Schraubenkopf immer noch nicht raus. Er war so hartnäckig das ich es mit einem Schraubenzieher von unten rausklopfen musste.

Gruß, David

berndr253

Hallo David,

das Problem mit den festgegammelten Schraubenköpfen kann man vielleicht vermeiden in dem die Schaltgabelschrauben nicht mit einer U-Scheibe eingeschraubt werden sondern mit Loctite Schraubensicherung niedrigfest montiert werden.
Hierbei aber nur die Unterseite des Schraubenkopfes mit Loctite bestreichen, nicht das Gewinde. Meine Idee ist, dass sich durch die Schraubensicherung kein Dreck mehr zwischen Schraubenkopf und Getriebegehäuse einlagern kann und auch chemische Reaktionen die eventuell ablaufen können vermieden werden.

Die Deckeldichtung schmiere ich (nach dem Einmessen der Wellen) beidseitig dünn mit Hylomar ein - dann ists auch dicht.

Grusz

Bernd
Leben und Leben lassen

Fastnachter

David ich habe die Einstellung der Yputubevideos kontrolliert. Standen auf "privat" und nicht auf "nicht gelistet". Jetzt solltest du die Videos wieder anschauen können.

Getriebethema und unter Tipps und Tricks -> Motor und Getriebe.

Viele Grüße und viel Erfolg,

Jan.
"Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen." (Kurt Marti)

Heiko

Zitat von: skeewde am 27 Juli 2013, 22:19:13
Gruß, David (der am nachmittag versuchte (verschlissene) Twin SUs zu synchronisieren)

Vergiss es.... ist ein Krampf wenn die total verschlissen sind.  ;) Kann man aber leicht selber überholen.
Ariel motorcycles... upon which the sun never sets.

skeewde

Zitat von: Fastnachter am 28 Juli 2013, 10:13:19
David ich habe die Einstellung der Yputubevideos kontrolliert. Standen auf "privat" und nicht auf "nicht gelistet". Jetzt solltest du die Videos wieder anschauen können.

Merci

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